ÜBER LEBEN & ARBEITEN
Der gute Ton
Sächsischer und Thüringer Grubenton – liebevoll, wenn auch schweißtreibend selbst aufbereitet – bilden den „Grundton“ meiner Stücke. Allerlei Zusätze lassen beim Brand die Oberfläche zum Leben erwachen.
Der Großteil meiner Stücke wird gedreht. Und so vergehen viele Wochen an der Scheibe, um meinen mehrere Kubikmeter großen Ofen zu füllen. Anschließend wird teilweise verformt, montiert, gehenkelt, mit Stempeln, Schlaghölzern, Sternchen, Muscheln oder auch mal Uhrfedern dekoriert. Für rechteckige Platten oder Gefäße wird ein großer Block Ton vorbereitet. Von diesem sogenannten Stock werden dann Scheiben geschnitten, entsprechend geformt oder als Segmente verbaut.
Danach müssen die Stücke trocknen. Dabei gilt: Nichts überstürzen, den Prozess unter Umständen durch Abdecken mit Zeitung oder Folie kontrolliert verlangsamen und immer wieder nachsehen, wenden,
bis die Stücke lufttrocken sind. Anschließend wird mit Engoben farbig dekoriert, entweder großflächig geschüttet oder als Bemalung. Zum Abschluss werden mit Pinsel oder Stempel weitere Farbkörper oder Kobalt aufgetragen.
Dann stehen die Stücke aufgereiht und sind bereit für den Brand. Schon jetzt umspielt von Ideen und Überlegungen für neue Arbeiten, Oberflächen und Dekorationen. Gleichzeitig auch ganz konkret gezählt.
Was fehlt im Sortiment, was ist bestellt? Was ist bei meinen Kundinnen und Kunden derzeit besonders beliebt auf ihrem schön gedeckten Tisch, in der Küche oder in Haus und Garten?
Der Brand
Im Mittelpunkt des Brands steht mein holzbefeuerter 3,5-Kubikmeter-Brennofen, den ich im Zentrum meines Hauses in einem separaten Ofenraum errichtet habe. Zur Vorbereitung werden zwei Tage lang Brennplatten und -stützen geschliffen und gesäubert. Der Kaminschieber, der von Salz und Rauch stark angegriffen wird, muss ebenfalls geprüft, gereinigt und gegebenenfalls ersetzt werden. Die kleine Schornsteinfeuerstelle wird gesäubert und vor dem Brand kurz angefeuert, um meinen 9 Meter hohen Schornstein anzuwärmen, weil er erst dann richtig zieht. Die beiden Feuerungen werden ausgeascht, das gesamte Brenngut und die bei 980°C geschrühten, für den Brand vorbereiteten Stücke im Brennofenraum aufgebaut.
Weitere zwei Tage bin ich mit einer/m Helfer/in zugange, um den Ofen zu setzen. Das ist Maßarbeit mit Zollstock und Wasserwaage und außerdem die große Stunde für die sogenannten Böbbel. Circa 10 Kilo
dieser kleinen Tonkugeln werden in unterschiedlicher Größe und Menge pro Brand verbraucht.
Sie verhindern in Verbindung mit einem Trennmittel, dass die Stücke beim Brennen aneinander oder an
den Brennplatten kleben. Sobald die Brennofentür erst mit einer Steinschicht aus hochtemperaturfester Schwerschamotte, welche noch extra mit Lehm verschmiert wird und dann mit einer weiteren Isolierschicht
aus Feuerleichtstein zugesetzt ist, kann es losgehen.
Ist das keramische Arbeiten sonst immer wieder unterbrochen von der Teilnahme an Märkten, verschiedenen Ausstellungen, der Pflege von Kontakten, Büro, Gartenarbeit, zwei unentbehrlichen Katern sowie dem ganz normalen Alltag, stellt sich das Brennen des Freibrandofens wie eine ganz eigene zeitliche Klammer dar.
Nur wenn das Feuer kontinuierlich versorgt, gepflegt und im Mittelpunkt steht, kann es gelingen.
Tempern und Brennzeit
Es beginnt mit dem Tempern, heißt, der Ofen wird über circa 12 Stunden vorsichtig auf etwa 120 °C vorgeheizt. Dann beginnt die eigentliche Brennzeit, bis die Endtemperatur von 1350 bis 1400 °C erreicht ist.
In der Regel benötige ich 19 bis 22 Stunden bei einem durchschnittlichen Holzverbrauch von 6 bis 9 Raummetern Kiefernholz pro Brand. Durch die Öffnungen der beiden Feuerungen wird abschließend noch gesalzen, wodurch die typische, transparente Salzglasur entsteht. Danach werden diese mit Lehm möglichst luftdicht verschlossen.
Zeit des Abwartens, der Spannung und um die Werkstattarbeit wieder aufzunehmen, denn der Ofen benötigt ungefähr eine Woche zum Abkühlen. Aber auch Zeit für neue Ideen, Erholung und einen normalen Tagesablauf bis zum vorsichtigen Ofenöffnen.
Das geschieht in Etappen. Stein für Stein wird die Türöffnung allmählich freigelegt. Ab 180 °C, wenn ich beispielsweise dringend Stücke für einen unmittelbar bevorstehenden Markt benötige, besser aber noch etwas kühler, wird der Ofen ausgeräumt. Zu zweit benötigen wir etwa vier Stunden. Was der Ofen nun freigibt, weiß niemand vorherzusagen. Es liegt zwischen himmelhoch jauchzend und – unter Umständen – zu Tode betrübt. Doch meistens – und dafür bin ich unendlich dankbar – beschenkt mich mein Ofen.
Die Stücke werden begutachtet, bestaunt und sortiert. Im Verlauf der nächsten 2 bis 3 Tage sind wir zu zweit oder zu dritt damit beschäftigt, um durch Ascheanflug und/oder Salzglasur entstandene spitze Ecken und Kanten zu beseitigen. Die verkaufsfertigen Stücke müssen dann noch ausgepreist, sortiert und für die kommenden Märkte in Kisten verpackt werden. Das gibt mir Gelegenheit, solche Stücke auszuwählen, die ich für Presse, Marktbewerbungen und meine Webseite fotografieren lasse.
Immer wieder ein anderes Projekt – immer wieder derselbe Prozess
Wenn ich nach dem Brand meine neuen Stücke betrachte, staune ich selbst immer wieder über individuelle Ascheanflüge, besondere Feuereffekte, leichte Verformungen durch die hohe Brenntemperatur, sanfte Trübungen, winzige Kristalle, zarte Gerinnsel ausgeschmolzener Oxide, Ofendeckentropfen und andere wunderbare Zufälle. Das gibt mir den Mut und die Kraft für neues Tun, neue Gefäße, wenn das Feuer des letzten Ofens aus ist.
Und in ähnlicher Weise berührt und belebt mich vor dem nächsten „Ofen“, wenn ich geschätzte, liebe Kolleginnen und Kollegen treffe, auf Märkte fahre – teilweise weite Reisen in Europa –, Anregungen und Inspirationen im Austausch mit Kundinnen und Kunden erhalte Bestellungen, die mich herausfordern, neue Stücke anzugehen oder mich noch einmal an gelungenen „alten“ zu versuchen. Eine tiefe Freude und Begeisterung begleitet mich so auf meinem keramischen Weg, ein Grundton, der mich ruhig, besonnen und dennoch verwegen und voller neuer Pläne weiterschreiten lässt.